© 2004: Susanne Störmer

Update: „Auf Wiedersehen, viel Glück“

Geschrieben 1993, war es mein erster Artikel für eine Titanic-Zeitschrift und zugleich auch meine erste Publikation über Murdoch. Eher zufällig ist mir der nun rund elf Jahre alte Beitrag wieder in die Hände gefallen, und bald danach sprach Günter von seiner Idee, die Jubiläums-TiPo mit Updates zu früheren Artikeln zu füllen.

Als ich „Auf Wiedersehen, viel Glück“ verfasste, stand ich ganz am Beginn meiner Murdoch-Forschungen. Der komplette Artikel basiert auf damaligen mündlichen Überlieferungen und ist damit durchaus ein zeitgeschichtliches Dokument, wenn er auch seine Fehler hat. Und die möchte ich hier korrigieren. – Die Korrektur erfolgt entsprechend dem Aufbau des Dreiteilers, wobei ich auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ausweichmanöver und der Schraubentheorie verzichten muss, denn dazu ließe sich ein ganzes Buch schreiben …

Das Zitat „Das ist der komischste Anblick, den ich heute Nacht gesehen habe“ wird zwar generell Murdoch zugeschrieben, aber zwei Dinge sprechen dagegen. Zum einen scheint es nicht Murdochs Art von Humor zu sein; zum anderen fielen diese Worte beim Beladen von Boot 1. Zwar gibt es zwei Zeugen (Symons und Horswell), die den Offizier am Boot mit Murdoch benennen, aber beide kannten Murdoch nur flüchtig. Symons scheint zudem einen Hass auf Murdoch gehabt zu haben – und es gibt andere Aussagen, die dafür sprechend, dass der Offizier am Boot entweder Boxhall (Heizer Hendricksons Aussage vor dem britischen Untersuchungsausschuss verlinkt mit Boxhalls eigener Aussage vor dem selbigen) oder Lowe (Lowe selbst vor dem britischen Untersuchungsausschuss) war. Das Zitat würde ich heute Lowe zuschreiben.

Murdochs Geschwister: Er hatte drei ältere und drei jüngere Geschwister. Eine Schwester von ihm wurde im Stammbaum unterschlagen, und noch heute weigert sich Scott Murdoch, mir gegenüber weitere Details über sie zu nennen; vielleicht ist ihm aber auch selbst nicht mehr bekannt, als die Rudimente, die nach und nach ans Tageslicht gekommen sind. Was ich aber weiß ist, dass sie verheiratet war, zwei Töchter hatte und früh an Diabetes gestorben ist. Ihre beiden Kinder wurden dann von Murdochs jüngster Schwester Peg großgezogen, die dafür ihren Beruf als Lehrerin aufgab.

Murdochs Zeit auf Segelschiffen war 1993 noch völlig ungeklärt und basierte auf Mutmaßungen. Es ist festzustellen, dass in Schottland noch heute mehr auf mündliche Überlieferung gegeben wird – aber mit Hilfe von Dokumenten lassen sich folgende Fahrenszeiten unter Segeln für Murdoch belegen:

Jahre Schiff Rang Kapitän Dokument
1888 – 1892 Charles Cotesworth Anwärter J. Kitchen Musterrollen Charles Cotesworth für Reisen, die 1889, 1890, 1891 und 1892 endeten
1893 – 1895 Iquique 2. Offizier S. Murdoch BT199/1895
1895 – 1896 St. Cuthbert
1. Offizier W. Drummond Musterrolle St. Cuthbert für Reise, die 1896 endete
1897 – 1899 Lydgate 1. Offizier J. Kennison Musterrolle Lydgate für die Reise, die 1899 endete

1899 heuerte Will Murdoch dann auch bei der White Star Line an. Wann genau ist unbekannt. Er musterte von der Lydgate am 2. Mai 1899 ab und war im Juli 1899 als 4. Offizier auf der Medic, als diese ihre Jungfernfahrt antrat (Quelle: Shipping Records der State Library of New South Wales; Ankunft in Sydney am 21. September 1899). Weil er während seiner Zeit auf der Lydgate rund zwei Jahre lang weder in Großbritannien noch in Kontinentaleuropa war, liegt die Vermutung nahe, dass er nach seiner Rückkehr mit der Lydgate erstmal einige Wochen in Dalbeattie in seinem Elternhaus verbracht hat und danach dann sein Glück bei der White Star Line versucht. Dann ist die Medic sein erstes Schiff bei der Reederei gewesen – und zudem war er sofort bei einer Jungfernfahrt mit dabei. Daraus ergibt sich sofort folgende Besondersheit in Murdochs Laufbahn: Er nahm insgesamt an fünf Jungfernfahrten teil, davon war er bei vieren dienstälterer Offizier:

Jahr Schiff Rang Kapitän
1899 Medic 4. Offizier J. Thornton
1903 Arabic
2. Offizier B. F. Hayes
1907 Adriatic
1. Offizier E. J. Smith
1911 Olympic
1. Offizier E. J. Smith
1912 Titanic
1. Offizier E. J. Smith

Dazu ist außerdem noch ergänzend hinzuzufügen,dass er von 1905 an ununterbrochen als dienstälterer Offizier auf dem jeweiligen Flaggschiff der Reederei dienste. Kein anderer Offizier der WSL in jenen Jahren kann damit aufwarten.

Murdoch hat nur wenige Tage unter Kapitän Haddock gedient, nämlich während der Liegezeit in Belfast, als Haddock dort für einige Tage das Kommando hatte, dass er zum 1. April 1912 an E. J. Smith abgeben musste. Während des Kapitänswechsels (Haddock verließ Belfast, bevor Smith dort eintraf) war Murdoch übrigens der Ranghöchste auf der Titanic, und für wenige Stunden unterstand sie dann auch seiner alleinigen Verantwortung.

Der vom Lightoller-Biograph angeführte Zwischenfall auf der Arabic scheint stattgefunden zu haben – aber nicht mit Lightoller als Zeugen, der, soweit ich es ermitteln konnte, nicht zusammen mit Murdoch auf der Arabic gedient hat. (Die beiden waren 1900 auf der Medic zusammen; Murdoch war 3. Offizier und Lightoller 4., das heißt, die beiden bildeten dort die Gruppe der dienstjüngeren Offiziere).

James Cumming, den Murdoch mit in die Bar des Adelphi-Hotels schleppte, trug zwar Arbeitszeug, war aber kein Matrose, sondern bereits Steuermann (Offizier) auf einem Segelschiff.

Auch wenn die Familie immer betonte, Murdoch sei 6 Fuß groß (= 1,83m) gewesen und er auch von Zeitgenossen als „tall“ (also groß) beschrieben wurde, war Murdoch nach eigenen Angaben 5 Fuß 9 Inches (= 1,75m) und damit der Kürzeste der dienstälteren Offiziere der Titanic.

Entgegen der Behauptungen seines Sohnes war James McGiffin laut Forschungen von Senan Molony 1912 nicht in Queenstown bei der White Star Line beschäftigt.

Und seine Frau hat Murdoch 1903 auf der Runic kennengelernt, als diese mit zwei Freundinnen eine Europareise unternahm und für die Reise von Oz nach Europa die Runic benutzte.

Der Aspekt der Murdoch-Darstellung im Cameron-Film von 1997 (Filmstart in Europa: Januar 1998) wurde bei dem ersten Artikel nicht berücksichtigt, soll hier aber in Ergänzung mit angeführt werden:
Im Zuge des Cameron-Films war Murdoch zumindest in Großbritannien wieder in den Schlagzeilen. Eine schottische Journalistin hatte die so genannte Murdoch-Kampagne gestartet. 20th Century Fox spendete im April 1998 £ 5.000 für den Murdoch Memorial Prize, aber Cameron vermied jedes offizielle Statement zu seiner (negativen) Darstellung Murdochs in dem Film. Das folgte dann im Juli 2004, als er bei einer Ernennung zum Ehrendoktor in Southampton erklärte, dass Murdochs Familie jedes Recht habe, ab seiner Darstellung Anstoß zu nehmen.

Erstveröffentlichung: TitanicVerein Schweiz, Titanic-Post Nr. 50, Dezember 2004